
Retter in der Not: Die Aufgaben eines Turnaround-Managers
Als Turnaround-Manager bist du der heroische Kämpfer, der ein Unternehmen entgegen allen Umständen eigenhändig aus der Krise führt. So stellen sich meine Gesprächspartner:innen oft meine Tätigkeit vor, wenn ich ihnen erzähle, dass ich als Turnaround-Manager tätig bin. Der Superheld der Business-Welt, der anstelle eines Comic-Helden-Kostüms einen schwarzen Anzug à la Men in Black trägt und Unternehmen im Alleingang vor dem Untergang rettet. Aber trifft dies wirklich zu? Schauen wir uns mal an, was ich als Turnaround-Manager überhaupt mache, bevor wir diese Frage beantworten.
Eine Anmerkung zum Sprachgebrauch vorneweg: In diesem Artikel wird beim Begriff «Turnaround Manager» aufgrund der Lesbarkeit nur die männliche Form verwendet, es sind jedoch alle Geschlechter gemeint.
Was ist überhaupt ein Turnaround?
Der Begriff «Turnaround» kommt aus dem Englischen und ist ausserhalb von Unternehmensführungskreisen nicht sehr geläufig. Ich habe schon oft versucht, ein alternatives Wort zu verwenden, um meine Tätigkeit zu beschreiben, aber Begriffe wie «Krisenmanagement» sind zu wenig umfassend und deutsche Übersetzungen wie «Umkehrung der Unternehmensentwicklung» klingen umständlich. Oftmals benutze ich deshalb den kurzen Satz «Unternehmen, die in Schwierigkeiten stecken, zurück auf Kurs bringen». Dies trifft es jedoch auch nicht ganz, denn idealerweise wird ein Turnaround herbeiführt, bevor ein Unternehmen tatsächlich in Schwierigkeiten steckt, wenn sich die Probleme also erst abzeichnen. Besser könnte deshalb folgende Definition sein: Bei einem Turnaround geht es darum, ein Unternehmen aus einer negativen Entwicklung auf eine positive zu bringen.
Die meisten Unternehmen benötigen in ihrem Lebenszyklus mindestens einmal einen Turnaround. Die Gründe dafür sind vielfältig. Externe Faktoren wie das Marktumfeld und die Technologie können sich z.B. dahingehend entwickeln, dass die Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens zunehmend substituiert werden. Zu internen Gründen zählen ineffiziente Prozesse und Strukturen, Führungsdefizite, Veränderungsresistenz und viele weitere. Oftmals ist es eine Kombination aus internen und externen Ursachen, die sich zuerst in einer Stagnation von finanziellen Kennzahlen wie Umsatz oder EBIT und anschliessend in einer Abnahme dieser Kennzahlen niederschlägt. Mittels Turnaround wird die negative Entwicklung gestoppt, das Unternehmen kurzfristig stabilisiert und für eine langfristige positive Entwicklung aufgestellt.
Welche Aufgaben übernehme ich als Turnaround-Manager?
Als Turnaround-Manager unterstütze ich Unternehmen dabei den Turnaround zu bewältigen. Häufig übernehme ich die Verantwortung für die Führung des Turnaround-Prozesses, führe die Turnaroundanalyse durch, erstelle zusammen mit der Geschäftsleitung und Verwaltungsratsmitgliedern das Turnaroundkonzept und koordiniere die Umsetzung der einzelnen Massnahmen.
Die Turnaroundanalyse besteht dabei aus der Analyse des Marktumfelds und des gesamten Unternehmens. Basierend auf dieser Analyse werden Stellhebel identifiziert, mit welchen die Unternehmensentwicklung verbessert werden kann. Im Turnaroundkonzept werden diese Stellhebel in konkrete Massnahmen umgewandelt, kohärent zusammengefasst und deren finanzielle Wirkung ausgewiesen. Die kombinierte Wirkung aller Massnahmen muss das Unternehmen kurzfristig stabilisieren und mittel- bis langfristig vielversprechend aufstellen können. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, werden die Massnahmen umgesetzt und der Turnaround durchgeführt.
Wo bin ich als Turnaround-Manager in einer Unternehmensorganisation angesiedelt?
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, wie Turnaround-Manager in einer Unternehmensorganisation angesiedelt sein können. Ein Turnaround-Manager kann während der Dauer des Turnarounds die Stelle der geschäftsleitenden Person einnehmen. Dies habe ich z.B. vor einigen Jahren bei einem Westschweizer Logistikunternehmen getan. Das Unternehmen benötigte einen Turnaround und ich übernahm die Stelle des Geschäftsleiters, um das Unternehmen in den Turnaround zu führen. Der Vorteil dieser Option ist, dass der Turnaround-Manager bereits durch die hierarchische Position umfassende Kompetenzen hat, den Turnaround als Hauptfokus für das Unternehmen festlegen kann und durch die Nähe zum Tagesgeschäft die aktuellen Geschäftsentwicklungen jederzeit kennt. Er hat zudem direkten Einfluss auf die Geschäftsleitungsmitglieder und kann mit ihnen ein schlagkräftiges Team bilden, um den Turnaround zu stemmen.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, abseits der normalen Unternehmensorganisation (mit Geschäftsführer:in, Geschäftsleitung etc.) eine vorübergehende Turnaround-Organisation zu installieren, welche der Turnaround-Manager leitet und welche einem Steuerungsausschluss oder dem Verwaltungsrat angehängt ist. Hier ist es wichtig, dass dem Turnaround-Manager und dieser parallelen Organisation ausreichend Kompetenzen gewährt werden, damit die benötigte Durchschlagskraft vorhanden ist. Der Vorteil dieser Option ist es, dass kein Wechsel auf der Position der geschäftsleitenden Person vorgenommen werden muss, der Turnaround-Manager und die Turnaround-Organisation sich vollständig auf den Turnaround fokussieren können, während sich die normale Unternehmensorganisation dem Tagesgeschäft widmet. Entscheidend bei dieser Option ist die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen der Turnaround-Organisation und der Geschäftsleitung. Meiner Erfahrung nach können beide Turnaround-Organisationsformen zum Erfolg führen.
Bin ich als Turnaround-Manager nun also der Superheld der Business-Welt, der im Alleingang Unternehmen rettet?
Die Antwort auf diese Frage ist mit Blick auf meine Aufgaben und meine Position in der jeweiligen Unternehmensorganisation klar: Nein. Neben dem fehlenden Superhelden-Kostüm bringe ich Unternehmen auch nie im Alleingang wieder auf Kurs. In jeder Phase des Turnarounds ist die Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden des Unternehmens, Eigentümern und teilweise auch Gläubigern entscheidend. Die Turnaroundanalyse führe ich zwar häufig zu einem grossen Teil selbst durch, benötige dabei allerdings bei vielen Analysezielen Inputs von verschiedenen Mitarbeitenden des Unternehmens. So benötige ich z.B. jeweils Finanzdaten, welche mir die Finanzabteilung liefern muss. Wenn ich Logistikprozesse analysiere, nutze ich neben Beobachtungen häufig auch die Auskünfte von Mitarbeitenden etc. In der Phase der Erstellung des Turnaroundkonzepts empfiehlt es sich immer, mehrere Sichtweisen einzubeziehen. Hier ist somit die Zusammenarbeit mit Eigentümern, Geschäftsleitung und Mitarbeitenden wichtig. Je nachdem, wie kritisch die Situation des Unternehmens ist, sollte in dieser Phase auch bereits der Einbezug von Gläubigern in Betracht gezogen werden. Und bei der Umsetzung des Turnarounds kann die Bedeutung von Teamwork schlicht nicht überbewertet werden, da die Umsetzung der Massnahmen am meisten Zeit in Anspruch nimmt und die Ressourcen von Mitarbeitenden benötigt werden.
Ein Turnaround basiert somit immer auf Teamwork (mit Ausnahme vielleicht von Turnarounds in Kleinstbetrieben mit 1-2 Mitarbeitenden). Er ist ein grosser Kraftakt, den eine einzelne Person nicht stemmen kann. Es braucht neben dem Turnaround-Manager mehrere Personen, darunter interne Mitarbeitende, Mitglieder der Geschäftsleitung und teilweise auch Mitglieder des Verwaltungsrats, die neben ihren normalen Tätigkeiten während einer bestimmten Dauer zusätzliche Aufgaben übernehmen. Gerade für Mitarbeitende können solche zusätzlichen Tätigkeiten eine grosse Belastung darstellen. Dies muss von den Eigentümern wie auch vom Turnaround-Manager anerkannt und wertgeschätzt werden.
Ist der Turnaround-Manager somit gar nicht so wichtig?
Doch, der Turnaround-Manager ist wichtig, sehr wichtig sogar. Er unterstützt und führt Unternehmen durch einen sehr herausfordernden und bedeutenden Prozess. An ihn werden hohe Anforderungen gestellt. Er muss Wissen in allen Unternehmensbereichen besitzen, das grosse Ganze sehen, sowohl analytisch analysieren sowie kreative Lösungen finden, Optimismus und Entschlossenheit demonstrieren, Menschen motivieren und Zusammenarbeit organisieren. Und als Quintessenz dieses Beitrags: Ein Turnaround-Manager muss teamfähig sein, denn erfolgreiche Turnarounds können nur im Team herbeigeführt werden.