
Warum Unternehmen scheitern: Die drei häufigsten Probleme in der Krise
In der Krise zeigen sich die wahren Probleme von Unternehmen. Die im folgenden Beitrag betrachteten "klassischen Unternehmensprobleme" kommen in fast allen Krisenunternehmen vor. Sie haben nicht nur zur Krisensituation beigetragen, sondern stehen auch einem erfolgreichen Turnaround im Weg.
Klassisches Problem 1: Keine zahlenbasierte Unternehmensführung
Finanziell angeschlagene Unternehmen verfügen meistens über kaum aussagekräftige Kennzahlen. Besonders Profitabilitätskennzahlen und der Cash-Flow sind eminent wichtig für die Führung eines Unternehmens. In Abwesenheit solcher Kennzahlen werden Entscheidungen oft auf Basis von Intuition getroffen. Dies kann in Wachstumsmärkten funktionieren. In stagnierenden oder schrumpfenden Märkten führt es jedoch immer wieder zu erheblichen Problemen. Vorhandene Kennzahlen wie der EBIT werden zudem oft nur oberflächlich betrachtet, ohne den Zusammenhang zwischen Zahlen- und Unternehmensentwicklung wirklich zu verstehen.
Jede Unternehmensentwicklung spiegelt sich in den Zahlen wider, und hinter jeder Veränderung der Zahlen stehen operative Entwicklungen (abgesehen von buchhalterischen Spielereien). Dadurch dienen Zahlen als Frühindikatoren für Probleme. Unternehmen in Schwierigkeiten haben Frühwarnzeichen entweder nicht erkannt oder nicht adäquat darauf reagiert. Es erstaunt daher nicht, dass die fehlende zahlenbasierte Unternehmensführung eines der häufigsten Merkmale von Unternehmen in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage ist.
Um einen erfolgreichen Turnaround herbeizuführen, müssen Cash-Flow, Kapitalsituation und Betriebsergebnis während des gesamten Prozesses konstant überwacht werden. Darüber hinaus sind Profitabilitätskennzahlen notwendig, um zu erkennen, welche Bereiche unprofitabel sind und wo Kosten eingespart oder Umsätze gesteigert werden können. Zudem muss regelmässig überprüft werden, wie sich die umgesetzten Massnahmen auf die relevanten Kennzahlen auswirken. Als Turnaround-Manager gilt es deshalb jeweils sicherzustellen, dass die notwendigen Kennzahlen im Krisenunternehmen verfügbar sind und überwacht werden.
Wenn du mehr über die Vorteile von zahlenbasierter Unternehmensführung inkl. konkreten Beispielen erfahren möchtest, findest du hier einen Blog-Beitrag zu diesem Thema: Die Macht der Zahlen in der Unternehmensführung
Klassisches Problem 2: Starker Fokus nach innen, wenig Fokus nach aussen
Unternehmen in Schwierigkeiten beschäftigen sich meist zu stark mit sich selbst. Interne Politik sowie administrative Prozesse und Systeme dominieren das Handeln des Unternehmens. Auch die Unternehmenssprache wird davon beeinflusst. Wie oft werden Begriffe wie «Kunden», «Bedürfnisse», «Markt», «Konkurrenz» verwendet? Kaum? Dann liegt der Fokus zu stark auf internen Themen!
In der Startup-Welt gibt es den Spruch: "Erstgründer konzentrieren sich auf das Produkt, erfahrene Gründer auf das Go-to-Market." Das liegt daran, dass jeder ein Produkt entwickeln kann, aber nur wenige es erfolgreich am Markt etablieren können. Der Fokus nach aussen ist entscheidend.
Wenn ein Unternehmen wächst, müssen Systeme eingeführt werden, um mit der zunehmenden Komplexität umzugehen. Das ist eine notwendige und gute Sache. Aber diese Systeme und die damit zusammenhängenden Prozesse dürfen nicht den Hauptfokus einnehmen. Ansonsten werden die Kunden, die Marktgegebenheiten und die Konkurrenz - alles Faktoren, die entscheidend sind für den Erfolg eines Unternehmens - zweitrangig. Dies ist häufig in Krisenunternehmen zu beobachten. Bedürfnisse der Kunden werden behandelt, als wären sie einmal festgelegt worden und würden sich nie ändern. Das führt sogar dazu, dass selbst der Kundenservice primär aus einer administrativen Perspektive betrachtet wird, anstatt als eine wertvolle Interaktion, die Kundenbindung und Zufriedenheit beeinflusst.
Um ein Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen, ist es notwendig den Fokus des Unternehmens nach aussen zu richten. Dies ist teilweise nicht einfach, weil die angeschlagene finanzielle Situation des Unternehmens und die eingesetzten Kosteneinsparungen Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Damit liegt der Fokus im Turnaround-Prozess automatisch zu einem gewissen Teil auf dem Inneren. Es ist jedoch essenziell, dass das Unternehmen trotzdem darauf getrimmt wird, den Blick auf den Markt und die Kunden zu lenken. Nur dadurch kann sich ein Unternehmen nachhaltig erholen und nach der oftmals notwendigen "Gesund-Schrumpfung" wieder anfangen zu wachsen.
Klassisches Problem 3: Low-Performance-Kultur
Ein weiteres häufiges Problem bei Unternehmen in Schwierigkeiten ist eine sogenannte "Low-Performance-Kultur". Eine Unternehmenskultur also, die schwache Leistungen fördert. In solchen Kulturen wird wenig Risiko eingegangen, es gibt viel Widerstand gegen Veränderungen und kaum jemand ist bereit etwas anzureissen. Es wird kaum offen kommuniziert, und abteilungsübergreifendes Teamwork ist selten. Mutige Entscheidungen und «vorwärts machen» werden nicht belohnt, sondern oft sogar ausgebremst. Die Erwartung an die eigenen Leistungen und jene von anderen ist nicht sonderlich hoch, und es wird wenig Verantwortung übernommen oder eingefordert. Solche Kulturen sind wie unfruchtbarer Boden. Es kann kaum etwas Neues gedeihen und wachsen.
Die Unternehmenskultur hat einen enormen Einfluss auf den Erfolg und die Krisenresistenz eines Unternehmens. In einer sogenannten "High-Performance-Kultur" - eine Unternehmenskultur, die starke Leistungen fördert - wird zielgerichtet gehandelt, Verantwortung übernommen, offen kommuniziert und zusammen nach Exzellenz gestrebt, jedoch ohne davon besessen zu sein, dass alles perfekt sein muss. Mitarbeitende und die Organisation als Ganzes sind jederzeit bereit, dazuzulernen und sich anzupassen. Der Fokus liegt auf hoher Produktivität und erstklassiger Leistung, wobei die Kunden immer im Zentrum stehen. Mitarbeitende werden ermutigt, mitzudenken, selbst zu entscheiden und Ideen einzubringen. Eine solche Kultur schafft eine gemeinsame Energie, die das Unternehmen regelrecht vorwärtsdrängt und Massnahmen in hoher Geschwindigkeit umsetzen lässt.
Eine Unternehmenskultur zu verändern ist keine einfache Sache und dauert eine lange Zeit. Häufig wird dieser Aspekt im Turnaround vernachlässigt, da externe Berater (spezialisierte Turnaround-Manager, Anwaltskanzleien, Treuhänder) und Sachwalter meist nur für begrenzte Zeit im Unternehmen sind und sich vor allem auf die Sanierung der Finanzen, Kosteneinsparungen und strategische Anpassungen konzentrieren. Das ist wichtig und richtig, aber die Kultur darf nie vernachlässigt werden. Vielversprechende Strategien, gutes Finanzmanagement und effektives Marketing können ein Unternehmen eine Weile tragen, aber ohne nachhaltige Veränderung der Unternehmenskultur droht das Unternehmen erneut in Schwierigkeiten zu geraten. Louis V. Gerstner, der den Turnaround bei IBM in den 90er Jahren mitverantwortete, brachte es treffend auf den Punkt: "Culture isn’t just one aspect of the game – it is the game." (Kultur ist nicht nur ein Teil des Spiels – sie ist das Spiel).
Fazit
Viele Unternehmen, die in eine Krise geraten, weisen ähnliche Probleme auf: fehlende zahlenbasierte Unternehmensführung, zu starker interner Fokus und eine Kultur, welche schwache Leistungen fördert. Diese klassischen Probleme haben nicht nur zur Krise beigetragen, sondern müssen dringend angegangen werden, weil sie auch den Turnaround gefährden. Die Lösung liegt darin, die richtigen Kennzahlen zu erfassen, den Blick wieder nach aussen zu richten und eine leistungsfördernde Unternehmenskultur zu etablieren. Für jede dieser Stossrichtungen gibt es konkrete und bewährte Massnahmen. Je früher diese Herausforderungen angegangen und die Massnahmen umgesetzt werden, desto besser!
Über den Autor
Sven Truffer ist spezialisiert auf Turnaround- und Interimsmanagement. Er hat sowohl Erfahrung in der Durchführung von Turnarounds als CEO von krisengeschüttelten Unternehmen wie auch als externer Berater, welcher Unternehmen in Turnaround Situationen anleitet und begleitet. Für mehr Informationen zum Thema Turnaround oder konkrete Massnahmen, um diese drei Probleme zu lösen, kannst du gerne mit Sven Kontakt aufnehmen: Tel: 077 244 12 66 oder sven.truffer@gt-consulting.ch